Ratgeber

E-Commerce Kennzahlen - Teil 2

Michael GrafMichael Graf - 24 Aug, 2020

Nachdem wir uns in Teil 1 die wohl bekanntesten und am häufigsten ausgewerteten KPI im E-Commerce näher angeschaut haben, betrachten wir in diesem Teil einige monetäre Kennzahlen, die die Einnahmen bzw. die Ausgaben pro Geschäftsabschluss wiedergeben.

 

Die Kennzahlen im Onlinehandel - Teil 2: Einnahmen und Kosten pro Sale

Die besten Messungen und Auswertungen geben zwar eine Übersicht über die Performance eines Verkaufskanals, eines Produkts oder einer Kundenklasse, ihnen fehlt es jedoch an der Aussagekraft über die Wirtschaftlichkeit. Eine gute Conversion Rate alleine reicht nicht aus, wenn pro Kauf nur unwirtschaftlich kleine Beträge beim Verkäufer hängen bleiben. Da schaffen der Average Shopping Cart und der ACoS, bzw. die KUR Abhilfe.

 

Average Shopping Cart (ASC)

Bedeutung: Der Average Shopping Cart (auch Average Shopping Basket, Average Order Value, Average Ticket oder Durchschnittlicher Warenkorbwert) gibt den durchschnittlichen Umsatz pro Verkaufsabschluss wieder.

Diese Kennzahl kann global, sowie auf verschiedenen Auswertungsebenen betrachtet werden. Abweichungen vom globalen ASC, beispielsweise innerhalb einer Kundengruppe oder einer Produktkategorie können für die entsprechende Bereiche spezielle Optimierungspotenziale oder strategische Ansätze offenbaren.

Da der ASC maßgeblich vom angebotenen Sortiment beeinflusst wird (ein Fahrradhändler wird einen höheren Wert erzielen, als ein Händler für Bastelbedarf), ist hier ein branchenübergreifendes Benchmarking nicht zielführend. Ein Vergleich mit Wettbewerbern der eigenen Branche oder Produktgruppe ist zwar sinnvoll, allerdings ist es nicht ohne Weiteres möglich, die entsprechenden Kennzahlen des Wettbewerbs in Erfahrung zu bringen. Der gängigste Einsatzbereich des ASC ist die als Vergleichsmetrik vor und nach Anpassungen am eigenen Angebot, dessen Darstellung oder allgemeinen Marketingmaßnahmen.

Ziel ist es, den Wert des durchschnittlichen Warenkorbes immer weiter zu erhöhen, ohne dass dabei der ACOS (siehe unten) im selben Verhältnis mit steigt. Ein steigender ASC bei gleichbleibendem oder nur geringfügig gestiegenem ACOS bedeutet in der Regel immer einen höheren Deckungsbeitrag.

Messung: Die Messung des ASC ist denkbar einfach. Die Umsätze der getätigten Käufe werden addiert und diese Summe dann durch die Anzahl der getätigten Bestellungen geteilt. Die Zahlen sollten jedem Shop-Betreiber oder Marktplatzhändler jederzeit zugänglich sein. Tools wie Econda oder Google Analytics helfen hier lediglich bei der übersichtlichen Gliederung der Zahlen.

Aussagekraft: Der Average Shopping Cart zeigt auf, was Käufer bereit sind, in einem Einkauf an den Anbieter abzutreten. Dass kann diverse Rückschlüsse zulassen:

  • Trust: Ist ein Verkäufer vertrauenswürdig, hat der Käufer weniger Bedenken auch höhere Beträge zu bezahlen, da er keinen Grund hat, an der Qualität der Produkte oder an der Zuverlässigkeit des Verkäufers zu zweifeln.
  • Positionierung: Zwei Händler mit einem nahezu identischen Sortiment können für ähnliche – oder sogar gleiche – Produkte völlig unterschiedliche Preise aufrufen, je nachdem, ob sie sich als „Premium-Anbieter“ oder „Discounter“ positionieren. Höhere Warenkörbe können ein Indikator für eine hochwertige und damit hochpreisige Positionierung sein.
  • Sortiment: Höhere Warenkörbe kommen am häufigsten durch Zusatzverkäufe zustande. In einem gut sortierten Verkaufsumfeld findet ein Käufer leicht Komplementärprodukte oder Zusatzdienstleistungen, die er zusätzlich zum primär benötigten Produkt „mitnimmt“. Je besser hier das Sortiment aufgestellt ist, umso häufiger kommt es zum sogenannten Cross-Selling.

Optimierung: Um den ASC zu erhöhen ist das heruntergebrochene Ziel, jeden einzelnen Kaufabschluss mit einem höheren Ticket zu versehen. Dazu bieten sich diverse und kombinierbare Ansätze:

  • Cross-Selling: Ergänzende Produkte anzeigen, nachdem der Käufer das erste Produkt in den Warenkorb gelegt hat. Beispiel: Der Kunde interessiert sich für Laufschuhe, dann eigenen sich Cross-Selling Produkte wie Jogging-Anzüge, Handytasche fürs Jogging, Funktionsunterwäsche, Schnürsenkel, etc.
  • Produkt-Bundles: Dem Kunden können vorgefertigte Bundles angeboten werden, die günstiger sind, als die einzelnen Bestandteile des Bundles in der Summe. Ein gebündeltes „Jogging-Starterpaket“ mit allen o.g. Artikeln kann den ASC deutlich erhöhen.
  • Produktportfolio: Das eigene Angebot mit optimalen Ergänzungsprodukten erweitern.
  • Grenzwert belohnen: Rabatt-Aktionen ab einem bestimmten Einkaufswert, sowie der Erlass der Versandkosten ab einem bestimmten Warenkorbwert animieren den Kunden häufig, den Warenkorb weiter zu füllen, um den entsprechenden Wert zu erreichen

 

Advertising Cost of Sale (ACOS) und Kosten-Umsatz-Relation (KUR)

Bedeutung: Der ACoS (Adverstising Cost of Sales) ist eine der zentralen Kennzahlen zur Berechnung der Rentabilität von Werbeausgaben und beschreibt das Verhältnis von Werbekosten einer bestimmten Werbekampagne gegenüber dem Umsatz, der genau aus dieser Kampagne entstanden ist. Der Begriff wird meistens in der Amazon-Begriffswelt verwendet. Im Online-Marketing außerhalb der Amazon-Welt spricht man auch von der KUR (Kosten-Umsatz-Relation). Die Kennzahl ist also wichtig zur Einschätzung, ob die jeweilige Marketing-Maßnahme aktuell noch rentabel ist, bzw. um zu bestimmen, wie viel Geld in die Maßnahme investiert werden darf, damit eine gewünschte Marge noch erreicht wird.

Als Unterbegriffe sind hier somit der Break Even ACoS und der Ziel ACoS zu nennen. Der Break Even ACoS beschreibt den Prozentwert, ab dem die Werbekosten geringer werden als die Gewinnmarge des Produktes. Sprich, „Wie klein muss der Prozentwert der Werbekosten sein, damit man in die Gewinnzone kommt“. Der Ziel ACoS ist die Prozentgröße, die man zur eigenen Orientierung für sich festlegt. Meist soll dieser einige Prozentpunkte unterhalb der Marge liegen. Möchte man aber ein Produkt neu in den Markt einführen und initial „anschieben“, wird der Ziel ACoS auch oft einmal über dem Break Even AcoS angesetzt. Ebenfalls, wenn es gilt Platz im Lager zu schaffen und Ladenhüter loszuwerden, kann der Ziel ACoS ausnahmsweise höher angesetzt sein als der Break Even ACoS.

Messung: Die Formel zur Berechnung ist zwar relativ einfach aber um das Ergebnis interpretieren zu können, ist es unumgänglich, dass man die Kostenstruktur der eigenen Produkte, inklusive Handlingkosten, Verpackungskosten, etc., genau kennt.

Die Formel lautet: ACoS = Werbekosten / Werbeumsätze

Beispiel: Ein Verkäufer gibt für seine Kampagne auf ein bestimmtes Produkt 1.000 EUR innerhalb eines Monats aus. Der erzielte Umsatz mit diesem Produkt beträgt 10.000 EUR. Das Ergebnis: Der ACoS beträgt 0,1 oder 10%.

Aussagekraft: Der ACoS oder die KUR ist eine wichtige Kennzahl zur Steuerung der Rentabilität von Werbekampagnen, also um festzustellen, ob eine Werbekampagne/Werbemittel funktioniert oder ob die Kampagnen-Keywords angepasst werden müssen oder das Produkt besser dargestellt werden muss. Überhaupt ist sie wichtig, um zu wissen, ob eine Werbekampagne überhaupt noch zu einem positiven Gewinn führt oder ob man Geld „verbrennt“. Bei der Vielzahl von möglichen Kampagnen, die man auf jedes einzelne seiner Produkte schalten kann, ist es schwierig tatsächlich den Überblick zu behalten und aufgrund der Masse häufig sehr zeitaufwendig Optimierungen vorzunehmen. Der ACoS kann hier als schneller Indikator genutzt werden, um Optimierungspotenziale zu identifizieren.

Vom ACoS und der KUR klar abzugrenzen ist der CAC-Wert. Das steht für Customer Acquisition Cost und gibt an, was zum Gewinn eines Kunden durchschnittlich ausgegeben werden musste. Dabei gibt es zwei entscheidende Abweichungen zum ACoS: Der CAC bezieht sich zum einen nur auf Neukunden und betrachtet zum anderen die gesamte Kostenstruktur (mit Fixkosten und nicht kampagnenabhängigen Kosten) bis zum Kaufabschluss. (Mehr hierzu bald im Ratgeber zum Customer Lifetime Value)

Optimierung: Die Optimierung erfolgt bei Pay-Per-Click-Kampagnen zum Beispiel über die Auswahl der relevanten Keywords und über den Ausschluss von nicht relevanten Keywords, die zwar Klicks erzeugen aber nicht zu Verkäufen führen. Diese Keywords sollten routinemäßig und in regelmäßigem Turnus auf ihre Performance kontrolliert und entsprechend angepasst werden.

Auch die Optimierung der Conversion Rate hat einen positiven Einfluss auf den ACoS, weil weniger Kunden, deren Besuch auf dem eigenen Angebot man über den PPC „eingekauft“ hat, dieses ohne Kaufabschluss wieder verlassen.

 

Cost per Order (CPO)

Bedeutung: Mit der Kennzahl CPO (Cost per Order) werden meist die Kosten ermittelt und verglichen, die verschiedene Werbemaßnahmen oder ganze Werbekanäle (SEM, Social-Media, Affiliate-Marketing, Newsletter-Marketing, Bannerwerbung, etc.) pro Geschäftsabschluss (Bestellung, Download, Abo, Service-Beauftragungen, etc.) im Durchschnitt verursachen.

CPO wird auch für das gleichnamige Abrechnungsmodell im Performance- oder Affiliate-Marketing verwendet, bei dem eine Provision pro vermitteltem Geschäftsabschluss ausgeschüttet wird.

Die CPO ist die etwas umfassendere Version des ACoS, da hier nicht nur die direkten Ad-Spends als Kosten herangezogen werden, sondern sämtliche ermittelbare Kosten (Erstellung von Werbemitteln, organischer Reichweitenaufbau, Gehälter Social Media Manager, Versandkosten usw.)

Messung: Zur Berechnung des CPO benötigt man zwei Werte: Die Gesamtkosten der Werbemaßnahme, einschließlich aller Zusatz- und Begleitkosten (s.o.), sowie die Anzahl der Bestellungen, die nach Abzug der Retouren noch übrig sind.

Die Formel lautet dann:

CPO = Kosten der Werbeaktion und der Zusatzkosten / Anzahl Bestellungen

Beispiel (stark vereinfacht): Eine Werbeaktion auf Facebook kostete 1000 EUR. Ein Grafiker hat die Creatives – also die eingesetzten Werbemittel – für Personalkosten von umgerechnet 140 EUR erstellt und der Facebook-Manager hat die Kampagne betreut, wobei Personalkosten von 800 Euro angefallen sind. Außerdem wurde ein Auszubildender damit beauftragt, die Kommentare zu moderieren. Personalkosten: 200 EUR. Der Auszubildende hat vorher ein externes Coaching zu effektivem Community Management erhalten, das 550 EUR gekostet hat.

Bei der Kampagne wurden 50 Bestellungen generiert. 3 Bestellungen wurden retourniert. Das bedeutet insgesamt kam es zu 47 Festbestellungen. Die Versandkosten pro Auftrag beliefen sich auf 4 EUR und zusätzliche Retourenhandlingkosten lagen bei je 2 EUR.

Der CPO berechnet sich also wie folgt: (1000+140+800+200+550+200+6)/47=61,62

Der CPO liegt demnach bei 61,62 EUR

Aussagekraft: Greifen wir zur Erläuterung der Aussagekraft gleich das Rechenbeispiel aus dem vorigen Abschnitt auf. Wenn es sich bei den bestellten Produkten nun um eine teure Armbanduhr mit einer Marge von 150 EUR handelt, ist der CPO zumindest noch innerhalb der Marge, d.h. es bleibt generell ein Gewinn übrig.

Jetzt haben wir zwar die Höhe des Bestell-Kostenblocks identifiziert, aber ob das nun ein sehr guter oder ein schlechter CPO ist, hängt von den CPOs ab, die für das gleiche Produkt bei anderen Werbemaßnamen in den verschiedenen Werbekanälen erzielt werden.

Nach der Betrachtung der verschiedenen Werbeaktionen wissen wir dann also, was die effizientesten Kanäle und innerhalb dieser die effizientesten Werbemaßnahmen sind. Jetzt wissen wir auch, dass wir mit der bloßen Betrachtung von anderen Kennzahlen wie Traffic, Page Impressions und die Click-Through-Rate eine Werbeaktion nicht vollends einschätzen können, sondern, dass wir erst mit dem CPO eine qualitative Aussage treffen können.

Optimierung: Das generelle Ziel der CPO-Betrachtung ist den Wert möglichst zu reduzieren, ohne dass die Menge der Bestellungen abnimmt. Dazu bieten sich vorrangig die folgenden Möglichkeiten:

  • Das richtige Zielpublikum identifizieren um Streuverluste zu vermeiden.
  • Die richtige Text- und Bildansprache verwenden, die einerseits das Produkt attraktiv darstellt, aber auch keine falschen Erwartungen weckt (resultiert ansonsten i.d.R. in Retouren)
  • Impression-, Klick-, oder Pay per Order-Preise geringhalten, aber nur so, dass diese nicht unattraktiv für den Publisher (der Partner, der die Werbung ausspielt) werden. Falls man wie bei den großen Werbefirmen wie Google oder Facebook keine Preise verhandeln kann, muss man sich dementsprechend auf günstigere Keywords fokussieren. Tipp: Long-Tail Keywords sind aufgrund des geringeren Suchvolumens oft günstiger und konvertieren sogar besser, weil die Suchenden bereits ein klareres Kaufinteresse haben als bei Short-Tail Keywords.
  • Unternehmensintern müssen Prozesse geschaffen werden, die die Kosten bei entsprechenden Vorhaben geringhalten. Das ist grundsätzlich sinnvoll und sollte weit vor der CPO-Optimierung stattfinden.

Und auch hier gilt wieder: Alles, was gut für die Conversion Rate ist, ist auch gut für den CPO-Wert.

 

Übersicht:

Teil 1 - die Klassiker
Teil 2 - Einnahmen und Ausgaben pro Sale
Teil 3 - (coming soon)