Bei vielen Händlern, die auf Amazon und/oder eBay unterwegs sind, stellt sich irgendwann die Frage:
„Stelle ich mein rotes und mein blaues Hemd als Varianten oder als Standalone-Artikel ein?“
Die Frage ist allerdings nicht pauschal zu beantworten und hängt unter anderem vom Marktplatz, von der eigenen Strategie und von der Heterogenität der potenziellen Varianten ab. Schauen wir uns zuerst einmal an, welche relevanten Eigenschaften Varianten auf den beiden größten Marktplätzen Amazon und eBay haben:
Wie funktionieren Varianten?
Beginnen wir mit einem direkten Vergleich zwischen Varianten auf eBay und Varianten auf Amazon, gegliedert nach gewissen Kriterien:
Listing
Werden Artikel bei eBay zusammengefasst, werden sie „hart“ in ein einzelnes Listing konsolidiert. Das bedeutet, ein Artikel mit 3 Varianten hat auf eBay eine Artikelnummer. Bei Amazon hingegen werden 3 ASIN angelegt, die über eine Parent ASIN verknüpft werden.
Ranking
Einer der größten Unterschiede ist die Weise, wie Varianten-Verkäufe das Ranking des Listings beeinflussen.
Auf eBay ist das ziemlich straight forward: Jeder Sale einer Variante fließt in die die gemeinsame Artikelnummer ein. Verkaufe ich also jede der drei Varianten 20 mal, werden dem Gesamt-Listing 60 Sales zugeordnet.
-> Varianten Sales bei eBay sind kumulativ.
Da Verkäufe auf eBay der wichtigste Faktor für ein gutes Ranking sind, ist das deutlich wertvoller, als 3 Standalone-Artikel mit je 20 Sales zu haben.
Zudem können durch geschickte Anlage der Varianten mehr suchrelevante Keywords für das gesamte Listing hinterlegt werden. Das erhöht die Auffindbarkeit des Listings zusätzlich.
Varianten auf Amazon funktionieren deutlich komplexer.
Füge ich 3 Artikel zu einer Variante zusammen, stehen dahinter 3 ASIN, jede mit ihrem eigenen BSR (Best Seller Rank). Gelistet wird dennoch immer nur eine der ASIN als Suchergebnis pro Suchanfrage. Entscheidend ist hier, wie Amazon evaluiert, welche der ASIN als „front ASIN“ verwendet wird. Das ist die ASIN oder Variante, die als Suchergebnis auf einer SERP (Search Engine Results Page) erscheint:
Stellen wir uns einen etwas größeren Variantenpool vor. Hemden in 4 Farben á 4 Größen. Das entspricht also 16 Varianten. Jede davon hat aus den hinterlegten Daten (Titel, hidden Keywords, Bulletpoints) Keywords, die auf entsprechende Suchanfragen gemappt sind. Grundsätzlich ist es so, dass auf die Suchanfrage „blaues Hemd“ nur die Varianten als front ASIN in Frage kommen, die auch auf die Suchanfrage passen. Im Normalfall sollten das die 4 blauen Hemden (1 pro Größe) sein. Die roten, schwarzen und weißen Hemden haben in der Regel keine Relevanz für die Suchanfrage „blaues Hemd“.
Je spezifischer die Suchanfrage ist, desto genauer kann die passendste ASIN ausgespielt werden. Beispiel „blaues Hemd XL“. Dieser Suchbegriff dürfte nun eigentlich nur noch auf einen der 16 Artikel zutreffen: Das blaue Hemd in der Größe XL. Das wird also ziemlich sicher unsere front ASIN für diese Suchanfrage.
Jetzt kommt allerdings der Clou an dieser Systematik: Die front ASIN hat ihren eigenen BSR. In der Suche wird das Listing aber so angezeigt, als hätte es den besten BSR des gesamten Variantenpools.
Wenn zum Beispiel das weiße Hemd in Größe M einen richtig guten BSR hat, wird das blaue Hemd in Größe XL gerankt, als hätte es selber diesen Verkaufsrang.
-> Varianten Sales bei Amazon sind selektiv.
Wenn Ihr jemals einen Artikel ohne Rezensionen, dürftig optimiert und mit schlechtem BSR auf Seite 1 mitten zwischen offensichtlichen Top-Artikeln gefunden habt… Das ist der Grund dafür.
Welche Strategien ergeben sich daraus?
Es gibt bei eBay kaum Fälle, bei denen mehrere Standalone-Artikel besser wären als eine Variante. Das einzige Szenario, in dem von der Bildung von Varianten abgesehen werden sollte, ist wenn in die Werte der verschiedenen Attribute sich nur wenig decken.
Erklärung: Wenn mehr als ein Attribut vorhanden ist, multiplizieren sich die möglichen Kombinationen aus Attributswerten sehr schnell in große Bereiche. Aus unseren beispielhaften 16 Hemden werden 32 Hemden, wenn diese noch nach Damen und Herren unterschieden werden können. Gibt es zusätzlich noch die Optionen „mit Brusttasche“ und „ohne Brusttasche“, sind wir bereits bei 64 möglichen Varianten.
Hier ist es wichtig, dass von diesen Möglichkeiten auch alle – oder zumindest die meisten – Hemden tatsächlich existieren. Wenn es die Herrenhemden nur in 3 der 4 Farben gibt, die Damenhemden keine Brusttaschen haben können und nicht in denselben Größen vorliegen wie die Herrenhemden, dann entstehen Kombinationslücken. Also genau die Kombinationen aus Attributswerten, die nicht vorhanden sind, obwohl sich jeder dieser Werte irgendwie anders kombinieren lassen würde. Das führt für den Kunden zu einer enorm unübersichtlichen Handhabung der Auswahlmenüs bei eBay, somit zu einer schlechten Usability und letzten Endes zu einer bescheidenen Conversion Rate.
Enden jedoch alle denkbaren Kombinationen aus verfügbaren Attributswerten in einem vorhandenen Artikel, sollten diese auf eBay auch immer als Varianten gelistet werden.
Bei Amazon ist die Überlegung, ob Varianten oder Standalone-Artikel angeboten werden sollen, eine Frage der Amazon-Artikelstrategie. Die folgende Liste ist nur ein Bruchteil der möglichen Strategien. Es sollte außerdem vorab bewertet werden, ob die geschilderten Vorgehensweisen in eure generelle Marktplatzstrategie passen.
Ausbreitungsstrategie (spread)
Ein Seller mit einer Eigenmarke und nur wenigen, ausgewählten Artikeln kann durch die Listung von Standalone Artikeln eine größere SERP-Abdeckung erreichen. Ein Listing mit 4 Varianten kann nur einmal als Suchergebnis erscheinen. 4 Standalone Aritkel können bei entsprechender Optimierung auch 4 Slots auf Seite 1 einnehmen. Das erhöht nicht nur die eigene Sichtbarkeit oder Markenwahrnehmung, sondern verdrängt automatisch Konkurrenzartikel von Seite 1.
Windschatten-Strategie (slipstream)
Wir könnten uns auch die spezielle Ranking-Funktion auf Amazon zunutze machen. Ein hellblaues Hemd und ein dunkelblaues Hemd zusammenzufassen, wird der schwächeren der beiden Varianten (die mit dem schlechteren BSR) nicht viel nutzen. Beide Hemden werden wohl auf „blaues Hemd“ zu finden sein. Dadurch wird immer nur die stärkere Variante angezeigt. Lediglich bei der Suchanfrage „Hemd hellblau“ oder „dunkelblaues Hemd“ (je nachdem, welches Hemd schlechter performt) gibt es hier einen erkennbaren Vorteil. Dieses Hemd wird nämlich so gerankt wie das besser performende Hemd.
Was aber wenn wir zwei möglichst heterogene Artikel zur Variante zusammenfassen? Stellen wir uns vor, wir haben ein [blaues Herrenhemd Kurzarm mit Stehkragen] mit ausgezeichnetem BSR. Nun führen wir einen anderen Artikel ein: [weißes Damenhemd Langarm]. Unabhängig davon, ob es dem von Amazon vorgesehenen Zweck von Varianten erfüllt, diese beiden Artikel als Varianten zusammenzufügen, ist es auf jeden Fall technisch möglich.
Das weiße Damenhemd wird mit einem sehr schlechten BSR einsteigen – das ist bei neuen Artikeln auch völlig normal. Trotzdem wird es auf „Damenhemd weiß“ oder „weißes Hemd Langarm“ so gut gerankt, wie das blaue Herrenhemd auf „blaues Herrenhemd“. So können neue Artikel im Windschatten eines bereits gut performenden Artikels Fahrt aufnehmen und ggf. „abgekoppelt“ werden, sobald der eigene BSR entsprechend gestiegen ist.
Cross-Selling Strategie
Das sollte offensichtlich sein. Wenn man Artikel führt, die sich ergänzen oder austauschen lassen, hat die Anlage von Varianten einen deutlichen Vorteil. Bei Komplementärprodukten kann ich zusätzliche Einheiten verkaufen und bei Substitutionsprodukten kann ich verhindern, dass der Kunde abspringt, weil er glaubt, nicht das Richtige gefunden zu haben.
Beispiel Komplementär: Ein Händler hat Rahmen für Einbauleuchten eingestellt und als Variante GU10-Fassungen verknüpft. Die Chance, dass ein Kunde beides kauft, ist hoch. Aber Vorsicht: Diese Art der Variantenbildung sieht Amazon nicht besonders gerne.
Beispiel Substitution: Ein Händler bietet als Varianten Leuchtmittel der Fassungen GU10, E14, E27 und G9 an. Der Kunde, der ein E14 Leuchtmittel sucht, aber auf einem GU10 Leuchtmittel gelandet ist, kann sich einfach die richtige Variante aussuchen.
Das Beispiel für Substitutionsprodukte spielt übrigens auch hervorragend in die Windschatten-Strategie.
Fazit
Vereinfacht ausgedrückt: Bei eBay sind in 9 von 10 Fällen Varianten empfehlenswert. Ihr solltet jedoch darauf achten, dass die Usability nicht unter der Variantenbündelung leidet.
Bei Amazon hängt es von der Strategie, dem Sortiment und vor Allem davon ab, wie man die Mechanik der Variantenbildung verstanden hat und für sich nutzen kann.